Merkmale französischer Panzerfestungen

Einleitung: Wissenswertes über die Barrière de Fer

Festungen der Barrière de Fer 1874 - 1914

1870/71 ... der Deutsch-Französische Krieg ist beendet. Deutschland hatte gesiegt. Vor allem einen schnellen Sieg, denn die Auseinandersetzung dauerte nicht einmal ein Jahr. Für Frankreich war das eine bittere Niederlage:

(1) Man musste Elsass und Lothringen an das Kaiserreich abtreten und danach mit ansehen wie diese die Städte Metz, Thionville und Straßburg zur Festungen ausbauten.
(2) Der Krieg offenbarte die Schwächen des Militärs. Eine Neuausrichtung war notwendig.
(3) Last but not least ergab sich durch die Annexion Elsass-Lothringen ein neuer, bis dato nicht gesicherten Grenzverlauf. Im Fall eines erneuten Krieges - und davon ging man damals auf beiden Seiten aus - hätten deutsche Truppen ungehindert bis Paris vordringen können.

Das war die Stunde von General Séré de Rivières. Er war Festungsbaumeister und hatte kurz vor Ausbruch des Krieges bereits den Auftrag erhalten, die wichtige Grenzstadt Metz militärisch auszubauen. Revières wurde also ins Kriegsministerium berufen und wurde mit der Errichtung einer neuen Festungslinie entlang der neuen deutsch-französischen Grenze beauftragt - der Barrière de Fer bzw. dem Système Séré de Rivières wie es die Franzosen später nennen werden.

Entwicklung moderner französischer Panzerfestungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts

Le Fort Mougin - Quelle gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France

Le Fort de l'avenir | Quelle gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France

1872, also kurz nach Ende des Deutsch-französischen Krieges 1870/71 setzte der französische Präsident Louis Adolphe Thiers verschiedene Komitees ein, die angesichts der Bedrohung durch das deutsche Kaiserreich und insbesondere vor den bitteren Lehren des 70er-Krieges mit Deutschland die Verteidigung Frankreichs bzw. die Neuordnung der französischen Armee organisieren sollte. General Séré des Rivières war hier anfangs Sekretär. Er war zugleich Ingenieuroffizier mit Erfahrungen im Festungsbau. Später wurde er mit dem Bau der Barrière de Fer beauftragt – dem neuen Festungs- und Verteidigungswall an der Ostgrenze Frankreichs.

1874 wurde ein weiteres Komitee eingerichtet, welches sich speziell mit einer modernen Bewaffnung dieser Festungen befassen sollte (Commission des Cuirassement). Es galt die Frage zu klären, welche Art von gepanzerten Türmen die Festungsartillerie schützen sollte. Hier wiederum war Capitaine Henri-Louis-Philippe Mougin die treibende Kraft. Er schlug 1887 einen neuen Festungstyp vor, den der „le fort de l’avenir“ (Fort der Zukunft) nannte. Séré de Rivières war zu dieser Zeit bereits seit mehreren Jahren vom Bau der Barrière de Fer abgezogen. Mougins Festungsmodell sah vor, dass jedes Fort ein riesiger Block aus Zementbeton war, tief eingegraben in die Erde, so dass nur noch die Panzertürme sichtbar waren, gepaart mit mehreren, ebenfalls gepanzerten Maschinengewehrkuppen und gepanzerten Beobachtern. Tief im Fort verborgen befindet sich die Energiezentrale, mit der man die notwendige Energie produzieren konnte, um das Fort zu versorgen, die Panzertürme in Bewegung zu versetzen und die Belüftung der Festung anzutreiben. Es gab elektrisches Licht und Telefonverbindungen. Viele, aber nicht alle Ansätze von Mougin sind in die Baupläne künftiger Festungen der Barrière der Fer eingeflossen.

Die Panzerfestungen der Barrière de Fer

Die Franzosen mussten also - wie schon erwähnt - ab den 1870er-Jahren ihre Landesverteidigung neu organisieren. Sie beauftragten Séré de Rivières mit dem Bau einer neuen Verteidigungs- und Festungslinie, die von Verdun, über Toul und Belfort bis Épinal reichen sollte. In den 1880er-Jahren kam es einerseits zum Streit mit Rivières, welcher 1880 in seiner Absetzung mündete, und es wurden neue Brisanzgranaten entwickelt, die eine so verheerende Sprengkraft hatten, dass alle von Rivières just erbauten Festungen (wie im Übrigen auch alle anderen Festungen in Europa) auf einen Schlag veraltet galten.

Die Franzosen reagierten darauf mit einer grundlegenden Überarbeitung bisheriger Baupläne - hielten dabei aber an grundsätzlichen Merkmalen bisheriger Forts fest. Sie gingen also einen anderen Weg als deutsche Ingenieure, die in den 1880er-Jahren einen gänzlich neuen Festungstyps entwickelten. Dennoch hatten die französischen und deutschen Festungen viele Gemeinsamkeiten. Einige Beispiele: Einsatz von Stahlbeton als Baumaterial (anstatt bisheriger Bruchsteine), Einsatz von Panzertürmen zum Schutz der Festungsartillerie, Verringerung des Profils neuer Festungen, damit sie weniger aufragten und so ein gutes Ziel für feindlichen Artillerie darstellten. Es gab aber auch zentrale Unterschiede zwischen deutschen und französischen Festungen. Die Franzosen entwickelten nicht nur Artillerietürme, sondern auch gepanzerte Maschinengewehrtürme, um nur ein Beispiel zu nennen.

Baupläne französischer Festungen zwischen 1871 und 1918


Forts der Barrière de Fer - errichtet bis 1880

Quelle gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France - Fortification cuirassée et les forteresses au début du XXe siècle

Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France
Fortification cuirassée et les forteresses.

Die Geschütze standen unter freiem Himmel
A = Kaserne und Versorgungsreinrichtungen
B = Munitionskammer (gemauert)
C = Zugang mit Zugbrücke
D = Kaponniere zur Verteidigung des Grabens

Der Grundriss der Rivières-Forts, die man zwischen 1874 und 1880 errichtete, war ein Polygonal. Sie waren jeweils von einem tiefen Graben umgeben. In Abhängigkeit von den Gegebenheiten vor Ort war ihr Grundriss verschieden. Das Mauerwerk bestand aus Quader- oder Ziegelsteine, was ebenfalls von dem vor Ort verfügbarem Material abhing. Sie waren in jedem Fall gemauert und bestanden nicht aus (Stahl-) Beton. Die verschiedenen Seiten des Fort bezeichnete man als 'face' (Gesicht ... die dem Feind zugewandte Seite), 'flancs' (Flanke) und 'gorge' (Kehle ... die Rückseite des Forts, wo der durch eine Zugbrücke gesicherte Zugang befand). Der durch Mauerwerk begrenzte Graben war sechs Meter tief und zwölf Meter breit. In ihm waren sogenannte Caponieren positioniert, von denen aus man den Graben verteidigen konnte. Innerhalb des Grabens gab es keinen 'toten Winkel' in denen sich Angreifer hätten verschanzen können.

Wie das gesamten Fort waren also auch die Kasematten im Inneren der Festung aus Stein oder Ziegeln gemauert. Obendrein bedeckte man sie mit einer dicken Erdschicht von zwei bis zu fünf Metern. Sie sollte die Sprengkraft der Geschosse ableiten und die Kasematten (also die sich dort befindlichen Soldaten) schützen. Alle Forts der Barrière de Fer waren auf den autonomen Kampf ausgerichtet. Sie verfügten über Lebensmittel- und Munitionsvorräte sowie Versorgungseinrichtungen (Krankenstation, Küche, Wassertanks etc.). Zentral und ein wesentlicher Unterschied zu späteren Festungen war die Positionierung der Artillerie unter freiem Himmel.

Mit dem Aufkommen moderner Brisanz- bzw. Sprenggranaten ab 1880 galten diese Festungen auf einen Schlag als veraltet. Die gemauerten Kasematten konnten (trotz der dicken Erdschicht) einem Beschuss nicht widerstehen und die frei stehende Artillerie war extrem gefährdet. Ein Treffer und sie wurde weitgehend ausgeschaltet. Da halfen auch nicht die Erdwälle, die man zwischen den einzelnen Geschützen vorsah.


Forts der Barrière de Fer - errichtet nach 1880

Quelle gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France - Fortification cuirassée et les forteresses au début du XXe siècle

Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France
Fortification cuirassée et les forteresses.

Die Geschütze werden von Panzertürmen getragen oder befinden sich in der Casemate de Bourges.
A = Versorgungseinrichtungen und Unterkünfte
B = Munitionskammer (betoniert) | C = Kaserne
D = Konterkaponniere (betoniert und unterirdisch zu erreichen)
F = Casemate de Bourges (zur Deckung der Flanken)
G = Panzertürmer und gepanzerte Beobachter

Wie gesagt: Mit dem Aufkommen der Sprenggranaten ab 1880 galten alle zuvor errichteten Forts der Barrière de Fer als veraltet. Einige von ihnen (bei weitem nicht alle) wurden modernisiert. Und man entwickelte veränderte Baupläne, um auf die neue Form der Bedrohung zu reagieren. Im Wesentlichen veränderte man folgendes:

(1) Das Profil früherer Forts war bisher (gegenüber alten Vauban-Festungen) ziemlich flach, aber noch immer aufragend. Es wurde abgeflacht, so dass das Fort bei feindlichem Artilleriebeschluss weniger Angriffsfläche bot.

(2) Aus Steinen oder Ziegeln gemauerte Wände boten zu wenig Schutz. Hier setzte man auf Stahlbeton, weil dieser einfach herzustellen, aber bedeutend Widerstandsfähiger ist. Beides Zusammen (flachere Bauweise plus Stahlbeton) verminderte das Schadensrisiko bei einem Beschuss erheblich.

(3) Natürlich konnte die eigene Artillerie nicht mehr unter freiem Himmel positioniert werden. Sie war hier einfach zu gefährdet. Deswegen setzte man hier auf die 'Casemate de Bourges' (heißt: Die Geschütze wurden in eigens dafür vorgesehene Kasematten positioniert und waren so vor Beschuss geschützt). Später installierte man in den Forts dreh- und Versenkbare Panzertürme als Träger der Artillerie. >> siehe: Panzertürme.

(4) Vergleichbares geschah auch mit der Infanteriebewaffnung - also den Maschinengewehren zur Nahverteidigung des Forts. Sie wurden ebenfalls in gepanzerten Türmen (natürlich auch dreh- und versenkbar) installiert. >> siehe: Panzertürme.

Forts der Barrière de Fer - errichtet nach 1905
Quelle gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France - Fortification cuirassée et les forteresses au début du XXe siècle

Quelle: gallica.bnf.fr / Bibliothèque nationale de France
Fortification cuirassée et les forteresses.

Sämtliche Geschütze werden von gepanzerten Türmen geschützt und es gibt gepanzerte Beobachter.
A = Versorgungseinrichtungen und Unterkünfte
B = Panzerturm für Turmgeschütze
C = Panzerturm für Maschinengewehre
D = Gepanzerter Beobachter
F = Abri - Unterkunft für Soldaten

Anfang des 20. Jahrhunderts änderten sich die Baupläne französischer Festungen der Barrière de Fer abermals. Inzwischen gehörten der Tourelle Galopin de 75 mm R modèle 1905 oder der Tourelle Galopin de 155 mm R modèle 1907 und der Maschinengewehr tragende Tourelle de mitrailleuses modèle 1899 zur Standordbewaffnung französischer Forts. Obendrein verfügten die Festungen über mehrere gepanzerte Beobachter.

Gut anzusehen ist das u.a. beim Fort Douaumont, dem Ouvrage de Froideterre oder dem noch später errichtetem Ouvrage de la Falouse.

Von der Casemate de Bourges (also einer betonierten Kasematte, in der mehrere Geschütze untergebracht waren und mit denen man die Flanken des Fort schützten wolle) hatte man sich zwischenzeitig verabschiedet. Die Kasematten engten das Schussfeld der Geschütze ein. Die dreh- und versenkbaren Panzertürme waren viel effektiver.

In gewisser Weise wurden also die Pläne von Henri-Louis-Philippe Mougin bzw. seiner Festung der Zukunft wahr. Denn die neuen Forts ähnelten sehr seinen alten Plänen.

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