Schlieffen-Plan von 1905
Die deutsche Militärstrategie bis Ende des 19. Jahrhunderts
1871 ... der Deutsch-französische Krieg ist vorbei. Frankreich verlor ihn schmachvoll und musste die Wirtschaftsregionen Elsass und Lothringen an das junge Deutsche Kaiserreich abtreten. Die Deutschen wiederum begannen sofort mit dem Auf- und Ausbau etlicher Festungsanlagen rund um die strategisch wichtigen Städte Metz, Thionville und Straßburg. Es galt die neu gewonnenen Regionen zu sichern. So die offizielle Lesart. Dahinter steckte aber mehr. Der schnelle Ausbau der Festungen basierte bis Ende des 19. Jahrhunderts auf der Annahme, dass - wenn es erneut zu einem Krieg käme - dieser mit Frankreich und Russland zugleich ausgefochten werden muss. Es war klar, dass Deutschland das nicht überstehen kann. Übereinstimmend war die Generalität der Ansicht, dass man sich zuerst gegen Russland wenden sollte. Im Westen wiederum wollte der Generalstab bis zur ausharren - in gewisser Weise "auf Zeit spielen". Hier ging man also von einer Defensivstrategie aus bis das über Russland siegreiche Heer an die Westgrenze herangeführt werden könnte. Dazu bedurfte es allerdings eines wuchtigen Verteidigungswalls im Westen, der von den Franzosen nicht überwunden werden konnte (und wenn ... der ihn erhebliche Verluste zufügte und sein Vorrücken massiv verlangsamt). Elsass-Lothringen kam dabei eine besondere Bedeutung zu. Hier verlief die neue Grenze der beiden Erbfeinde. Im Fall eines Krieges sollten also hier die französischen Truppen aufgehalten werden. Und für den Fall eines französischen Durchbruchs wurden die Rheinbefestigungen von Wesel bis Germersheim bzw. an der Donau zwischen Ulm und Ingolstadt errichtet. Sie sollten als "Haltelinie" dienen. Diese Strategie erklärt auch, warum gegen Ende des 19. Jahrhunderts die westliche Grenze so massiv befestigt wurde, während man im Osten kaum vergleichbare Festungsanlagen errichtete. Das war aus damaliger Sicht nicht notwendig, weil hier ja eine Offensivstrategie verfolgt wurde.
Der Schlieffen-Plan von 1905 - eine Neuausrichtung der Militärstrategie
1905 verfasste Generalfeldmarschall Alfred Graf von Schlieffen seine Denkschrift "Krieg gegen Frankreich", die die bisherige Militärstrategie des deutschen Generalstabs zum Wanken brachte. Ausgehend von einem drohenden Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Russland kam er nämlich zu einem gänzlich anderen Ergebnis wie man einen solchen Konflikt siegreich beenden könnte. In gewisser Weise drehte er die bisherigen Überlegungen um:
Nicht Russland sollte zuerst angegriffen werden, sondern Frankreich! Heißt: Offensives agieren im Westen, defensives Vorgehen im Osten. Einziges Problem: In einem solchen Fall fehlten an der Grenze zu Russland entsprechend notwendige Festungsanlagen. Warum auch immer wurde der Schlieffen-Plan von 1905 nach und nach zum alleinigen Aufmarschplan des deutschen Heeres; doch erst 1913 begann man im Osten die zur Realisierung notwendigen Festungsanlagen rund um Posen und Graudenz zu errichten. Dass man hier nicht früher reagierte lang schlicht an fehlenden finanziellen Mitteln und dem Umstand, dass man seinerzeit auch erhebliche Mittel in den Ausbau des Eisenbahnnetzes stecken musste, um einen beschleunigten Aufmarsch der eigenen Truppen im Westen und im Osten zu ermöglichen (siehe Kanonenbahn Berlin-Metz).
Weitere Informationen - externer Link:
Denkschrift "Krieg gegen Frankreich" von Alfred Graf von Schlieffen, Dezember 1905
Deutschland: Strategische Überlegungen hinter dem Schlieffen-Plan von 1905
Kern des Schlieffen-Plans von 1905 war, dass im Falle einer erneuten kriegerischen Auseinandersetzung mit Frankreich mehrere Armeen des deutschen Westheers durch das neutrale Belgien marschieren sollten, um dann in Nordfrankreich einzufallen. Weil Frankreich sein Aufmarschgebiet und seine Verteidigungsstellungen an der Grenze zum Reichsland Elsass-Lothringen konzentrierte (siehe Barrière de Fer), ging man von einer geringen Gegenwehr aus.
Nach erfolgreicher Umsetzung dieser Umgehungsstrategie sollten im zweiten Schritt die Truppen, die in Elsass-Lothringen stationiert waren, eine Zangenbewegung vornehmen und ihrerseits nach Westen ins französische Kernland vorstoßen. Von Schlieffen ging davon aus, dass dadurch ein schneller Sieg über den Erzfeind Frankreich errungen werden kann, was wiederum Truppen frei macht für einen Feldzug gegen Russland. Von Schlieffen entwickelte seinen Plan 1905. Seine Taktiken waren geprägt vom letzten Krieg gegen Frankreich - nämlich den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71. Zur Anwendung kam der Schlieffen-Plan 1914 zu Beginn des Ersten Weltkriegs.
Es gibt das Sprichwort: "Generäle kämpfen immer den letzten Krieg, nicht den heutigen. Sie kämpfen in der Vergangenheit, wenn sie das nicht begreifen, werden sie überrannt." Dieses Sprichwort gilt auch hier, denn die Generäle der kaiserlichen Armee und somit auch von Schlieffen erlagen bei ihren strategischen Kriegsplanungen zwei wesentlichen Irrtümern - mit fatalen Folgen. Sie hatten nicht im Blick, dass sich die kommende Kriegsführung durch die zwischenzeitig eingesetzte Industrialisierung und die damit verbundene Explosion technischer Möglichkeiten (inkl. der Massenproduktion) grundlegend vom letzten Krieg 1870/71 unterscheidet. Und als wenn diese Fehleinschätzung noch nicht reicht, folgt gleich die Zweite: Sie hätten damit rechnen können (eigentlich müssen), dass England wegen der Verletzung der belgischen Neutralität ebenfalls in den Krieg eintritt und sich dadurch ein anderes Kräfteverhältnis ergibt.
Frankreich: Angriffspläne der Franzosen von 1913
Die Spannungen in Europa waren offenkundig und alle Staaten waren bemüht, durch Bündnispolitik ihre Interessen zu sichern. Es wunder daher wenig, dass sich die französische Generalität intensive Gedanken über ihr Vorgehen im Fall eines Krieges machte. Anfangs waren die Pläne defensiv ausgerichtet. Zu dem Zweck hatte man eigens die Barrière de Fer errichtet - einen massiven Festungswall entlang der deutsch-französischen Grenze verlief, die sich nach Ende des Deutsch-französischen Krieges seit 1871 ergab.
Als 1911 General Joseph Joffre Oberbefehlshaber der französischen Armee wurde, änderte sich die Haltung. Beeinflusst von General Ferdinand Foch, der sich für eine Offensivstrategie gegenüber Deutschland aussprach, änderte Joffre seine Pläne, indem er den Plan XVII annahm. Als dann der Erste Weltkrieg ausbrach, bestimmte dieser das Vorgehen der Franzosen. In dem Zusammenhang fragt man sich vielleicht, warum "Plan XVII". Das ist einfach beantwortet: Es war der 17. Plan der französischen Generalität seit dem Deutsch-französischen Krieg.
Weitere Informationen - externer Link:
Plan XVII - Dokumentation bei Wikipedia.
Der Plan XVII beschrieb die Mobilisierung und den Aufmarsch der französischen Streitkräfte. Er sah vor, dass die Hauptmasse der Kampfverbände für die französisch-belgische und die französisch-deutsche Grenze gleichermaßen vorgesehen war. Er ging bereits von einem Durchmarsch deutscher Truppen durch Belgien aus. Er sah aber auch eine massive Offensive französischer Truppen gegen Elsass-Lothringen vor, weil man 1871 an Deutschland abgetretenen Regionen wieder zurückgewinnen wollte. Konkret: Im Kriegsfall sollten französische Truppen unmittelbar in die vom Kaiserreich annektierten Regionen einmarschieren.
Die Strategie der Franzosen war "zweigeteilt": Mit Annahme des Plans XVII durch Joffre im Jahr 1913 begann auch eine massive Unterstützung Russlands. Die Franzosen gaben erhebliche Mittel, damit Russland seine Truppen innerhalb von 15 Tagen mobilisieren kann. Je schneller Russland ins Feld ziehen kann, desto geringer wird der Druck auf Frankreich sein.