Artillerie im Ersten Weltkrieg 1914 - 1918

Über Jahrhunderte hinweg setzte man bei der Kriegsführung auf Entscheidungen in offener Feldschlacht: Zwei Armeen stießen an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit aufeinander und versuchten sich gegenseitig niederzuringen. Man setzte auf den Kampf „Mann gegen Mann“. Das Motto war einfach: Wer zuletzt stand und/oder nicht aufgegeben hatte, war der Sieger der Schlacht – nicht zuletzt auch des Krieges. Die Artillerie spielte dabei eine eher untergeordnete Rolle.

Während des Ersten Weltkriegs und den verkeilten Fronten im Westen änderte sich das maßgeblich. Nichts ging man – zwei riesige Armeen hatten sich eingegraben und verharrten in ihren todbringenden Stellungen. Es entstand auf beiden Seiten ein Labyrinth aus Schützengräben, in denen die Soldaten hausten und versuchten, den Feind in dem nur wenige hunderte Meter entfernten Schützengraben zu bekämpfen.

Die zentrale Frage war also, wie man in einer solchen Situation effektiv und für die eigenen Soldaten relativ sicher den Feind bekämpfen und natürlich töten konnte. Eine schlagkräftige Artillerie schien die Antwort zu sein. Sie erlaubte es, den Feind aus der Distanz töten zu können, Stacheldrähte, Grabenstellungen und sogar tief ausgehobene Unterstände in kurzer Zeit zu zerstören.

Die Logik der Zeit war auch ziemlich einfach: je größer die Geschosse, je mehr Sprengmitteln sie transportieren konnten und je schrecklicher die Verletzungen waren, die man den Soldaten beispielsweise durch Schrapnellen zufügen konnte ... desto besser. Im Verlauf des Krieges war "Tod durch Artillerieeinwirkung" die häufigste Todesursache. Und an einem Tag der Verdun-Schlacht von 1916 wurden so viele Granaten verschossen wie nicht einmal im gesamten Deutsch-französischen Krieg wenige Jahre zuvor. Selbst die Schlachtfelder in den Alpen und Vogesen wurden beherrscht von der Artillerie. Noch heute findet man in den Alpen an unwegsamsten Stellen ehemalige Geschützstellungen.

Waffen

Bedeutung der Artillerie zu Beginn und im Verlauf des Ersten Weltkriegs

Quelle: Festpostkarte - Erster Weltkrieg

Quelle: Historische Postkarte

Die Artillerie spielte also auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs eine zentrale Rolle. Das war allerdings nicht von Anfang an so. Noch zu Beginn des Krieges wurde dieser Waffengattung eine ganz andere Rolle / Bedeutung zugeordnet. Irgendwie klar, wenn man dem Volksmund glaubt, dass die Generäle immer den letzten Krieg wiederholen. Und wie schon erwähnt: Im Deutsch-französischen Krieg 1870/71 spielte die Artillerie häufig eine untergeordnete Rolle - zwar nicht für alle Seiten, aber im Großen und Ganzen schon.

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs verfügten alle Parteien über eine recht überschaubare Artillerie. 1914 verfügte beispielsweise die französische Artillerie über acht Prozent schwere Geschütze. Man glaubte anfangs, den Krieg mit schneller Kriegsführung und offenen Feldschlachten aus den Tagen Napoleons gewinnen zu können. Vier Jahre später waren es 50 Prozent.

Im Gegensatz dazu hatte das Deutsche Reich etwas aus dem Deutsch-französischen Krieg gelernt: Die preussischen Truppen waren an Belagerungen beteiligt (beispielsweise Metz) und stellten damals einen Mangel an ausreichender Feuerkraft fest. Um die Notwendigkeit einer schlagkräftigen Artillerie wissend zogen die deutschen Militärs 1914 dennoch mit einem Übergewicht leichter Feldgeschütze in den Krieg. Das änderte sich bald, denn man stand beim Durchmarsch durch Belgien den dortigen Festungswällen rund um die Städte Lüttich, Namur und Antwerpen gegenüber.

Die Rüstungsproduktion wurde daraufhin zügig umgestellt, wobei man sich anfangs bei Österreich-Ungarn bediente. Sie verfügten mit der „Schlanken Emma“ über eine 30,5-cm-Haubiste. Aus deutscher Produktion folgte kurze Zeit später eine 42-cm-Haubitze, die von Krupp entwickelt wurde und die man auf den Namen „Dicke Berta“ taufte. Ihren ersten Kriegseinsatz erlebten beide Haubitzen gegen die Festung bei Lüttich am 12. August 1914. Zur Bestätigung der deutschen Generalität und zum Schock der Belgier, Franzosen und Engländer zerlegten diese Haubitzen in bloß vier Tagen die Betonwerke der Festungen, die zuvor als unbezwingbar angesehen wurden.

Erster Weltkrieg - Verdun - Fort Douaumont - Fliegeraufnahme vom Fort Douaumont und dem Dorf Douaumont vom 25. Februar 1916

Erster Weltkrieg - Verdun - Fort Douaumont - Fliegeraufnahme vom Fort Douaumont und dem Dorf Douaumont vom 25. Februar 1916

Dies war aber noch nicht „der Durchbruch“ der schweren Artillerie. Erst als der Bewegungskrieg durch die Schlacht an der Marne zu erliegen kam, beide Seiten ihre Schützengräben aushoben, erkannte man den enormen Bedarf an schweren und schwersten Artilleriegeschützen an der gesamten Front. Also begannen beide Seiten solche Geschütze in großer Zahl zu bauen, entwarfen neue Modelle und verwendeten quasi als Zwischenlösung auch schwere Festungsgeschütze, die man dort ausbaute, wo sie überflüssig waren oder man sie als überflüssig ansah.

Ironie der Geschichte: Dabei bediente man sich unter anderem bei den Festungen rund um Verdun – Fort Douaumont, Fort Vaux etc. Wie schon gesagt: Es wurden auf beiden Seiten eine große Anzahl unterschiedlicher, schwerer Artilleriegeschütze entwickelt. Einige von Ihnen montierte man auf Lafetten mit Rädern, andere wurden in Teile zerlegt und auf diese Weise zur Front transportiert, um sie dort in eigens angelegte Feuerstellungen einzubetten. Die Reichweite dieser Geschütze war enorm. So konnte beispielsweise das 220-mm-Schneider-Modell der französischen Armee mit seinen 90,7-kg-Granaten Ziele in zweiundzwanzig Kilometern Entfernung bekämpfen.

Erster Weltkrieg - französische Soldaten mit einer Gifgasgranate kurz vor dem Abschuss | Quelle: Der Weltkrieg in Bildern und Dokumenten von Dr. Hans F. Helmolt, Dritte Folge, Johannes M. Meulenhoff V

Französische Soldaten laden ein Geschütz mit einer Giftgasgranate.

Quelle: Der Krieg in Bildern und Dokumenten | Prof. Dr. Hans F. Helmolt | Leipzig 1928

Der Erste Weltkrieg brachte allerdings noch mehr Grausamkeiten als nur mächtige Artilleriegeschütze ans Tageslicht.

Eine der schrecklichsten Erfindungen ist das Giftgas, welches erstmals systematisch zur Vernichtung gegnerischer Truppen eingesetzt wurde. Alles in allem wurden 120.000 Tonnen unterschiedlichster Kampfstoffe eingesetzt. Mehr als 100.000 Soldaten starben qualvoll und 1.200.000 Soldaten wurden verwundet. Sie waren meist Zeit ihres Lebens gezeichnet durch diesen Schrecken. Als Beginn des sogenannten Gaskrieges an allen Fronten wird der Chlorgaseinsatz deutscher Truppen am 22. April 1915 gesehen. Natürlich protestierten alle Kriegsparteien dagegen - waren aber innerhalb kurzer Zeit selbst in der Lage, Giftgas einzusetzen. Dass man auf deutscher Seite überhaupt auf Giftgas setzte, hat sicher mit der Rohstoffblockade zu tun. Die Heeresleitung war in Sorge, wegen der knappen Rohstoffe die Truppen an der Front nicht ausreichend versorgen zu können. Deswegen musste unbedingt eine neue Waffe her, die dieses Ungleichgewicht an Ressourcen ausgleichen konnte.

Absoluter und besonders grausamer Höhepunkt des Gaskrieges war das Kriegsjahr 1918. In diesem Jahr wurde von allen Seiten rund jede dritte Artilleriegranate mit Kampfstoffen gefüllt. Das gilt soweit, dass zuletzt (und anders als in den Jahren zuvor) auf der deutschen Seite auch die Verfügbarkeit von Rohstoffe für diese Kampfstoffe nahezu erschöpft war.

Der Einsatz von Giftgas im Ersten Weltkrieg war eng verbunden mit der Entwicklung der Artillerietechnik. Deswegen erwähne ich dieses Thema. Erst die moderne Waffentechnik machte diese Grausamkeit möglich.

Waffen

Der erste Einsatz der schweren Artillerie im Ersten Weltkrieg

Denkschrift aus dem Erste Weltkrieg - historisch Akten

Denkschrift über die Ergebnisse der Beschiessung der Festungen Lüttich, Namur, Antwerpen und Maubeuge.

Quelle:
Deutsch-russisches Projekt zur Digitalisierung deutscher Dokumente in Archiven der russischen Föderation
Signatur: 500-12519-472 (1)

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts fühlte sich das deutsche Kaiserreich von seinen Nachbarn Frankreich und Russland bedroht. Aus Sorge vor einem Zweifrontenkrieg, den man nur hätte verlieren können, wurde 1905 der sogenannte Schlieffen-Plan entwickelt. Er sah ein schnelles Niederwerfen der Franzosen vor, wobei man Frankreich dabei nicht direkt angreifen wollte (also entlang der damaligen deutsch-französischen Grenze), sondern über das neutrale Belgien in Frankreich einfallen wollte. Dann - wenn der Erzfeind besieht war - wollte man sich Russland zuwenden. Ein riskanter Plan. Und ein Plan, der für den Westfeldzug nur wenig Zeit ließ. Militärstrategen gingen allerdings davon aus, dass er umsetzbar sein, weil man einerseits mit keinem nennenswerten Widerstand der Belgier rechnete und man sich Frankreich deutlich überlegen fühlte.

Es kam anders: Dem Schlieffen-Plan entsprechend marschierten deutsche Truppe 1914 in Belgien ein. Dort stieß man allerdings auf erhebliche Gegenwehr, so dass man sich gezwungen sah, den vermeidlich leicht zu schlagenden Belgier niederzuringen. Dies bedeutete in erster Linie, die wuchtigen Festungen rund um Lüttich, Namur und Antwerpen auszuschalten.

Die deutschen Truppen zogen also ihre großkalibrigen Geschütze zusammen - unter anderem moderne Eisenbahngeschütze mit denen 38-cm-Geschosse, die über eine Distanz von bis zu 47 Kilometern große Wirkung erzielten. Deren Geschosse hatten eine solch enorme Durchschlagskraft, dass die belgischen Festungen innerhalb kurzer Zeit niedergerungen werden konnten.

Die verheerende Wirkung dieses Beschlusses dokumentierten die Deutschen in einer "Denkschrift über die Ergebnisse der Beschießung der Festungen Lüttich, Namur, Antwerpen und Maubeuge". Das Dokument befindet sich heute in russischer Hand.


Weitere Informationen:

- Dokumentation: Der Erste Weltkrieg 1914 - 1918.
- Hintergrund: Geschichte des Festungsbau bis zum Ersten Weltkrieg.
- Entwicklung: Festungsartillerie gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

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Langer Max: Das deutsche 38-cm-Eisenbahngeschütze im Einsatz

Welche massiven Ausmaße diese modernen Waffen annahmen konnten, zeigen die nachfolgenden Aufnahmen aus dem Ersten Weltkrieg. Sie zeigen ein deutsches Eisenbahngeschütz, mit dem 38-cm-Geschosse, die über eine Distanz von bis zu 47 Kilometern platziert werden konnten. Die Geschosse selbst hatten eine solch enorme Durchschlagskraft, dass selbst auf einen solchen Beschuss ausgerichtete Festungen der Wucht kaum standhalten konnten.

    • Erster Weltkrieg: Deutsches Eisenbahngeschütz "Langer Max" vor dem Einsatz

      Eisenbahngeschütz "Langer Max" vor dem Einsatz; ein Vergleich des Geschosses mit dem Kanonier lässt seine Größe erahnen.

    • Erster Weltkrieg - das 38-cm-Geschütz wird geladen.

      Das 38-cm-Geschütz wird geladen. Die Munition muss wegen des Gewichts (18 Zentner) auf einem Wagen transportiert werden.

    • Erster Weltkrieg - eine 38-cm-Granate wird in das Rohr eines Eisenbahngeschützes eingeführt

      Eine 38-cm-Granate wird in das Rohr eines Eisenbahngeschützes eingeführt. Die Schussweite dieses Geschützes betrug 47 Kilometer.

Quelle der Bildergalerie und der Anmerkungen: Der Weltkrieg im Bild | Originalaufnahmen des Kriegs-Bild- und Filmamtes aus der modernen Materialschlacht | Autor: George Soldan | Ausgabe 1928

Die enorme Zerstörung der deutschen Artillerie

    • Quelle: Historische Postkarte - Erster Weltkrieg

Quelle der Bildergalerie: Historische Postkarten aus dem Ersten Weltkrieg

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