Besonderheiten der Brisanzgranaten

In den 1880er-Jahren wurde der Festungsbau durch die Einführung neuer Brisanzgranaten (oft als Torpedogranaten bezeichnet) erschüttert. Ihre Sprengkraft war so verheerend und übertraf die herkömmlicher Granaten um ein Vielfaches, dass alle bis dato errichteten Festungen auf einen Schlag als veraltet angesehen wurden.

Während man im Festungsbau von der Brisanzgranatenkrise spricht, bezeichnen die Franzosen diesen Tiefpunkt als crise de l'obus-torpille.

Die Einführung der Brisanzgranate in den 1880er Jahren

Bis zur Einführung der Brisanzgranaten waren Geschosse mit Schwarzpulver gefüllt. Man kannte zwar effektivere Sprengstoffe und es gab mit Einführung moderner Hinterlader, bei denen man Langgeschosse verwendete (statt Eisenkugeln) direkt Bestrebungen, das Schwarzpulver durch andere Materialien zu ersetzen. Ihr Einsatz scheiterte aber lange Zeit an dem Umstand, dass diese Stoffe derart gegen Stöße und Erschütterungen empfindlich sind, dass sie bereits im Rohr beim Losgehen des Schusses die Granaten zum Zerbersten brachten und somit das Geschütz und seine Bedienung gefährdeten.

Erster Weltkrieg - Westfront - deutsche Soldaten präsentieren Artilleriegranaten | Quelle: Historische Postkarte

Erster Weltkrieg - Westfront - deutsche Soldaten präsentieren Artilleriegranaten | Quelle: Historische Postkarte

Nach etlichen Versuchen fand man die Lösung des Problems, indem man nicht den fertigen Sprengstoff verwendete, sondern seine voneinander getrennt gehaltenen Bestandteile, die erst beim Schuss miteinander verbanden, so dass ein vorzeitiges Zerspringen stets außerhalb des Rohres erfolgen konnte. Auf diese Weise konnte man die leicht entzündbaren Stoffe fast gefahrlos und in großen Mengen zur Anwendung bringen.

Anfangs wurden Brisanzgranaten für die See- und Küstenkriege eingesetzt - fanden aber sehr schnell auch ihre Verwendung bei Belagerungs- und Festungsgeschützen. Letzteres erschütterte den Festungsbau, weil sich schnell herausstellte, dass bisherige Mauerbauten und Erdwerke dem Schuss einer Brisanzgranate selbst mittleren Kalibers nicht widerstanden.


Merkmale und Besonderheiten einer Brisanzgranate

Brisanzgranaten waren torpedoförmige Langgeschosse. Sie waren länger als vergleichbare Granaten und ihr innerer Hohlraum wurde so groß wie möglich gehalten, um eine maximale Sprengladung aufzunehmen. Um das zu erreichen, hatten sie dünne Wände und waren zumeist aus Stahl gefertigt. Als Sprengmittel kamen beispielsweise Schießwolle, Pikrinsäure, Melinit, Cresylit, Ekrasit oder Dynamit zum Einsatz.

Verschossen wurden diese Geschosse mit einer relativ geringen Anfangsgeschwindigkeit aus eher kurzläufigen Steilfeuergeschützen. Sie waren mit Zündern mit Verzögerungsträgern bestückt und explodierten daher nicht beim Aufschlag, sondern erst, nachdem sie tief in die Erde eingedrungen waren.

Dabei erzeugte jeder Treffer einen riesigen Trichter. Schon wenige Treffer genügten, um die Oberfläche eines Forts (wo die Geschütze in offenen Kampfstellungen positioniert waren) völlig umzuwälzen und damit untauglich für jegliche Bewaffnung zu machen.

Versuche mit Brisanzgranaten zeigten auch, dass 220-mm-Granaten ohne Probleme senkrecht bis zu 6,5 Meter tief in Tonboden und sogar 8 Meter in Richtung des Schusses eindringen konnten. Die Granaten durchschlugen auch das Gewölbe von versuchsweise beschossenen Festungen. Heißt: Selbst im Inneren einer Festung gab es vor der Zerstörungskraft dieser Granaten keinen ausreichenden Schutz mehr.

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