Italienischer Festungsbau im 19. Jahrhundert

Quelle: Brockhaus Konversationslexikon, 14. Auflage von 1891-1895

Stöbert man in alten Ausgaben des Brockhaus Konversationslexikons findet man in der 14. Auflage von 1891-1895 unter anderem die nebenstehende Karte: Sie zeigt das noch junge Königreich Italien, welches erst 1861 seine Unabhängigkeit erlangte. Und es zeigt die verschiedenen Truppengattungen Italien bzw. wo sie seinerzeit stationiert waren. Auf dem ersten Blick sich ein klarer Schwerpunkt in Norditalien.

Das erklärt sich, wenn man in die jüngere Vergangenheit des Königreichs schaut ober sich gewahr wird, dass die damalige Grenze zu Österreich-Ungarn zwischen der Lombardei bzw. Venetien und Südtirol bzw. dem Trentino verlief. Heißt: Große Teile des heutigen Norden von Italiens waren in der Hand seines nördlichen Nachbarn - der Kuk-Monarchie, die von Wien aus gesteuert wurde.

Diese außergewöhnliche Ballung stationierter Truppen in Norditalien und damit einhergehend auch eine Ballung verschiedenster Festungen und Verteidigungsanlagen entstand im Verlauf des 19. Jahrhunderts, wobei man die Geschichte groß in drei Phasen unterteilen kann, die ich nachfolgend holzschnitartig beschreibe.

Phase 1: Festungsbau in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts


Napoleon Bonaparte / Quelle: Historische Postkarte

Napoleon Bonaparte
Quelle: Historische Postkarte

Die erste Phase reicht zurück in die Anfange des 19. Jahrhunderts. Napoleon Bonaparte und seine Vasallen beherrschten das Herz von Europa. Sie unterwarfen weite Landstriche. Weite Teile Norditaliens gehörten damals zu Frankreich. Das zu richten war erklärtes Ziel des Wiener Kongresses von 1815. Frankreich, Napoleon und seine Truppen waren zwar noch nicht endgültig geschlagen (die Schlacht von Waterloo fand etwas später statt), aber die Fürstenhäuser Europa trafen sich, um die Landkarte Europas neu zu zeichnen. Zentraler Fokus dabei war nicht nur, abgesetzte Monarchen (-familien) wieder in Amt und Würden zu bringen, sondern auch Frankreich in der Zukunft an vergleichbaren Siegeszügen zu hindern.

Das war die Stunde des Königreich Sardinien-Piemont, welches in den Jahren zuvor all seine Ländereien in Norditalien (also dem Piemont) verlor. Mit diesem Wiederaufstieg des Königreichs war aber auch eine Erwartungshaltung verbunden: Ich sagte es bereits. Es war erklärtes Ziel, die Grenzen zu Frankreich zu sichern, so dass die Franzosen nicht noch einmal halb Europa überrollen konnten.

An der nordöstlichen Grenze Frankreichs errichtete man die Wellington-Barriere. Die Ostgrenze sicherte Preußen durch den Bau neuer Festungen rund um Köln und Koblenz bzw. der Deutsche Bund durch seine Festungen zum Schutz der Städte Ulm, Rastatt etc. Der Schutz der südöstlichen Grenze wiederum oblag dem Königreich Sardinien-Piemont, welches im ersten Drittel des 19. Jahrhundert das Piemont militärisch ausbaute. Das Fort di Fenestrelle oder das Fort Mutin sind eindrucksvolle Zeugen dieser Zeit.

Phase 2: Festungsbau des jungen Königreichs Italien


Viktor Emanuel II.
König des jungen Königreichs Italien
zwischen 1861 - 1878

Italien ist bis Mitte des 19. Jahrhunderts ein politischer Flickenteppich und blutiger Schauplatz wiederholter Kämpfe zwischen despotisch beherrschter Stadtrepubliken und Fürstentümern, Frankreich unter Napoleon Bonaparte sowie Österreich-Ungarn wegen seiner Gebietsansprüche in Norditalien. Dann keimte der Wunsch nach nationaler Einigung auf, welcher nach mehreren Kriegen 1861 endlich zum Königreich Italien führte.

Die Mitte des 19. Jahrhunderts wird geprägt von drei Unabhängigkeitskriegen, die italienische Fürstenhäuser unter der Führung des Königs von Sardinien-Piemont gegen Österreich-Ungarn führten, die weite Teile des heutigen Norditaliens für sich beanspruchten. Der erste Krieg (1948-49) wurde in der Lombardei, Venetien und dem Piemont ausgetragen. Aus ihn gingen die Österreicher siegreich hervor. 1859 folgt der zweite Konflikt, den diesmal die Italiener gewannen.

Karte: das heutige Norditalien

Er hatte 1861 die Gründung des Königreich Italien zu Folge und führte dazu, dass fortan die Lombardei zu Italien gehört. der dritte und letzte Unabhängigkeitskrieg im Jahr 1866 brachte die endgültige Einigung Italiens. Fortan gehörte auch Venetien zum Königreich. Einzig Südtirol und das Trentino zählte noch zum Staatsgebiet der Kuk-Monarchie in Wien, was im Verlauf des Ersten Weltkriegs zu heftigen Kämpfen führte.

Italien war also über Jahrzehnte hinweg mit anderen Dingen befasst als mit der Realisierung neuer Festungsbauprojekte. Insofern begann die zweite Phase des italienischen Festungsbau in diesem Jahrhundert ist nach 1870 und umfasste einerseits wiederum das Piemont, die ligurische Küste und andererseits auch die neu gewonnene Lombardei und Venetien.

Das junge Königreich Italien war in dieser Zeit in einer etwas schwierigen Situation: Im Norden standen die Österreicher, die sich in Südtirol und Venetien einigelten, indem sie ein riesiges Festungsbauprogramm auflegten, um die ihnen verbliebenen Regionen schützen zu können. Im Westen wiederum bauten sich mit Frankreich neue Spannungen auf. Der Nachbar hatte erwartet, dass Italien ihm im Deutsch-französischen Krieg 1870/71 zur Seite springt - was er jedoch nicht tat. Auf diese Spannungen reagierte Italien mit dem militärischen Ausbau des Piemont und insbesondere der wichtigen Mittelmeerhäfen Genua und La Spezia an der ligurischen Küste.

Phase 3: Festungsbau gegen Ende des 19. Jahrhunderts


Viktor Emanuel III.
König von Italien zwischen 1900-1946

Viktor Emanuel III. war Anfang des 19. Jahrhunderts König von Italien. Er führte sein Land auf der Seite Englands und Frankreichs in den Ersten Weltkrieg.

Während seiner Regentschaft realisierte Italien ein gigantisches Festungsbauprogramm, um Venetien zu einem Bollwerk gegen Österreich-Ungarn auszubauen. Diese Festungen wurden im Verlauf des Ersten Weltkriegs heftig umkämpft.

Quelle: Die italienische Armee, fünfte, veränderte Auflage, Verlag von L.W. Seidel & Sohn, Wien 1015 (Seite 73)

Quelle: Die italienische Armee, fünfte, veränderte Auflage, Verlag von L.W. Seidel & Sohn, Wien 1015 (Seite 73)

Die dritte Phase des italienischen Festungsbaus im 19. Jahrhunderts begann im Verlauf der 1890er-Jahre und dauerte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs, dem Italien 1915 auf der Seite der Alliierten beitrat. Zwischenzeitig hatte die Artillerie enorme Entwicklungssprünge gemacht: Es gab inzwischen Geschütze mit gezogenem Lauf und Sprenggranaten mit enormer Zerstörungskraft. Bisherige Festungen galten als veraltet, was selbstredend auch für die Festungen galt, die Italien bzw. Österreich-Ungarn in den zuvor genannten Phasen errichtete.

Das war die Zeit der modernen Panzerfestungen. Etliche Nationen in Europa bauten sie zum Schutz ihrer Grenzen - so auch das junge Königreich Italien. Im Fokus dabei stand Venetien entlang der Grenze zum Trentino, der von den Österreichern gehalten wurde. In dieser Phase entstanden Festungswerke wie das Fort Campolongo oder das Fort Leone, die im Verlauf des Ersten Weltkriegs hart umkämpft waren.

Weitere Informationen:
- Italienische Panzerfestungen.
- Merkmale italienischer Panzerfestungen.
- Italienische Panzertürme.

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