Deutsche Gürtelfestungen im 18. und 19. Jahrhundert
Die revolutionären Ideen von Montalembert Ende des 18. Jahrhunderts
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts erlebte der Festungsbau Umbrüche. Angestoßen wurden sie u.a. durch die Überlegungen des Marc-René Montalembert. Er wurde 1714 als Spross einer französischen Adelsfamilie geboren. Zeitlebens befasste er sich mit dem Festungsbau, der von der vauban'schen Schule geprägt war.
Montalembert fokussierte sich auf die Schwächen bastionärer Befestigungen. Ein Beispiel: Bisherige Festungen waren durch einen ständigen Wechsel von Bastionen und Kurtinen (also dem Wall zwischen den Bastionen) gekennzeichnet. Letztere sind aber bei einem Angriff gefährdet, da sie wegen ihrer großen Fläche frontal angegriffen werden können. Vorgelagerte Werke sollten das Probleme mindern. Das führte wiederum zu einer immer größeren räumlichen Ausdehnung und komplexen Strukturen. Es gilt jedoch: Je komplexer die Festung ist, desto schwerer kann man sie verteidigen.
Montalembert beschrieb erstmals die Idee, einen Ort nicht allein durch eine (bastionäre) Festung zu schützen, sondern durch mehrere kleinere, dem Ort vorgelagerte Forts zu befestigen. Diese Forts sollten einen polygonalen Grundriss haben, und sie sollten derart mit Artillerie ausgestattet sein, dass sie Angreifern das Aufbauen eigener Batterien verwehren können. Mit diesem Vorschlag war er seiner Zeit weit voraus.
Bau komplexer Gürtelfestungen im Verlauf des 19. Jahrhunderts
Die Weiterentwicklung der Gürtelfestungen im Verlauf des 19. Jahrhunderts sollte man in zwei Abschnitte unterteilen.
Die erste Periode markiert die erste Hälfte des Jahrhunderts. Nach dem Wiener-Kongress ließ der preußische König Friedrich Wilhelm III. das just seinem Reich zugeschlagene Rheinland militärisch sichern (Ausbau der Stadt Köln zu einer Gürtelfestung). Unabhängig davon begann der Deutsche Bund zum Schutz ausgewählter Städte wie Ulm oder Rastatt neue Festungen errichten.
In beiden Fällen setzte man darauf, der eigentlichen Festungsanlage, zahlreiche detachierte Forts vorzulagern. Die Festungen hatten allesamt den Zweck, den Franzosen im Fall abermaliger Aggressionen den Weg nach Osten zu verwehren. Dieser Periode ist aber noch eine weitere Besonderheit zuzuordnen: Frühere Festungen folgten dem Tenaillen-System, von dem sich die Preußen ebenfalls verabschiedeten. Sie setzten fortan auf Polygonal-Befestigungen wie sie Marc-René Montalembert wenige Jahrzehnte zuvor beschrieb.
Das junge Kaiserreich unter Wilhelm I. legte ein wuchtiges Festungsbauprogramm auf. Es galt das just vereinnahmten Elsass-Lothringen zu schützen und die Ostgrenze des Reichs zu Russland auszubauen. Diese Periode kennzeichnet, dass man fortan auf sogenannte Einheitsforts mit polygonalen Grundriss setzte, die zentrale Bestandteile künftiger Gürtelfestungen sein sollen.
Beeinflusst wurde das Festungsbauprogramm Wilhelm I. durch folgende Faktoren:
Um Paris herum wurde bereits in den 1840er-Jahren ein erster Festungsring herum gebaut. Deutsche Truppen sammelte wichtige Erkenntnisse beim Kampf um Paris im Verlauf des Deutsch-französischen Krieges.
In den 1840er-Jahren wurden neue Geschützte entwickelte: Hinterlader mit gezogenem Lauf. Sie hatten eine höhere Reichweite und Treffgenauigkeit als bisherige Vorderlader. Siehe: Entwicklung der Artillerie.
Unabhängig davon verbesserten sich zunehmend die Möglichkeiten, moderne Geschützte in größeren Stückzahlen herzustellen. Und der Deutsch-französische Krieg zeigte, welche Bedeutung die Artillerie auf künftigen Schlachtfeldern haben wird. In Deutschland tat sich dabei die Firma Fried. Krupp in Essen sowie die Magdeburger Firma von Gruson hervor. Beide Unternehmen verschmolzen später. Siehe: Produzenten deutscher Rüstungsgüter.
Der belgische General Henri Alexis Brialmont wurde in den 1860er-Jahren beauftragt, Antwerpen durch einen Festungsring zu einer Gürtelfestung auszubauen. Mit ihm hatten die deutschen Festungsbauingenieure regen Austausch. Brialmont war es auch, der seine Festungen erstmals systematische mit Panzerung ausstattete und erste Panzertürme zum Schutz der Artillerie installieren ließ. Siehe: Festungen rund um Antwerpen.
Hans Alexis von Biehler wurde 1873 Chef des Ingenieurkorps und gut zehn Jahre später sogar Generalinspektor aller preußischen Festungen. Er war maßgeblich an der Entwicklung eines neuen Einheitsforts beteiligt, welches in der Folge siebzig mal in die Tat umgesetzt wurde. Siehe: Biehler'sche Einheitsfort.