Wirkung der Brisanzgranaten

In den 1880er-Jahren wurde der Festungsbau durch die Einführung neuer Brisanzgranaten (oft als Torpedogranaten bezeichnet) erschüttert. Ihre Sprengkraft war so verheerend und übertraf die herkömmlicher Granaten um ein Vielfaches, dass alle bis dato errichteten Festungen auf einen Schlag als veraltet angesehen wurden.

Während man im Festungsbau von der Brisanzgranatenkrise spricht, bezeichnen die Franzosen diesen Tiefpunkt als crise de l'obus-torpille.

Angesicht der neuen Bedrohung galt es, schnell umfassendere Erkenntnisse über die Wirkung dieser neuartigen Granaten zu sammeln und umgehend Möglichkeiten zum Schutz der Festungen selbst bzw. der für die Verteidigung zwingend notwendigen Festungsartillerie zu entwickeln.

Warum? Nun: Hier eine Zusammenfassung über die Wirkung der Brisanzgranaten -
einer zeitgenössischen Literatur zum Thema entnommen:

  • Gemauerte Verteidigungs- bzw Festungsmauern jeder Art geben gegen Sprenggranaten schweren Kalibers gar keine Sicherheit mehr.

  • Unter Umständen werden durch einzelne hinter die Mauer fallende Trümmer so große Teile in den Graben geworfen, dass gangbare Breschen entstehen. Dieses Verhältnis ist um so ungünstiger, je mehr Erde über den Mauern ruht.

  • Einzelne, in der Nähe des Fundaments detonierende Geschosse können die Mauern zum Einsturz bringen.

  • Alle Gewölbe bisheriger Stärke und Anordnung werden durch einen oder einzelne Treffer schweren Kalibers durchschlagen.

  • Durch das Verschütten der Eingänge der Schutzhohlräume und die Verwüstung der Wälle wird es unmöglich, die Infanterie bei eintretendem Sturm schnell zur Hand zu haben.

  • Durch eine verhältnismäßig kurze Beschießung werden Forts (herkömmlicher Bauweise) für die artilleristische Verteidigung völlig unbrauchbar, so dass selbst leichte Geschütze nicht mehr zu bewegen sind.

  • Die mit außerordentlicher Gewalt sehr weit fortgeschleuderten Sprengstücke der Granaten gefährden das Innere der beschossenen Werke in seiner ganzen Ausdehnung.

Quelle: Historische Postkarte

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Die Wirkung der Brisanzgranaten offenbarte der Erste Weltkrieg

Zu Beginn des Ersten Weltkriegs, am 4. August 1914, marschierte das Deutsche Heer dem Schlieffen-Plan folgend in das neutrale Belgien ein. Kurz darauf kam es auch schon zu den ersten schweren Kampfhandlungen.

Die Deutschen nahmen zuerst die belgische Industriestadt Lüttich ins Visier und beschossen die Festungen mit schweren Eisenbahngeschützen ("Dicke Berta" und "Langer Max"). Die Sprengkraft ihrer Geschosse war vernichtend für die seinerzeit als veraltet geltenden Festungen. Nachdem man Lüttich niedergekämpft hatte, marschierten Teile der deutschen Armee nach Antwerpen und Namur. Dort begann das "Spiel" von vorn. Bereits am ersten Tag der Belagerung und Beschießung von Namur gingen dort fünf Festungen verloren. Nach und nach fielen auch die übrigen Forts, weil sie dem schweren Beschuss nicht standhalten konnten.

Aus dem Jahr 1914 gibt es eine ausgiebige Dokumentation, die die Wirkung schwerer und schwerster Artillerie zusammenfasst. Es ist die "Denkschrift über die Ergebnisse der Beschießung der Festungen Lüttich, Namur, Antwerpen und Maubeuge, sowie des Fort Manonviller im Jahr 1914". Es befindet sich in russischen Archiven und ist dort einsehbar.


Weitere Informationen:

- Dokumentation: Erster Weltkrieg.
- Dokumentation: Waffen im Ersten Weltkrieg.
- Dokumentation: Schützengräben im Ersten Weltkrieg.
- Dokumentation: Schlachten des Ersten Weltkriegs.



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