Nachschub im Ersten Weltkrieg - Kanonenbahnen

Kanonenbahn Berlin - Metz

Die Bahnlinie Berlin-Metz war für große Teile der Westfront einer der wichtigsten Nachschubwege während des Ersten Weltkriegs. Sie wurde volkstümlich die „Kanonenbahn“ genannt. Warum? Das erklärt sich, wenn man sich mit dem Verlauf dieses industriell geführten Krieges befasst. Auf den Schlachtfeldern kamen seinerzeit nämlich mehr Soldaten durch Artilleriebeschuss ums Leben als im Niemandsland zwischen den Schützengräben beider Seiten. Also benötigten die Truppen in vorderster Stellung ständig neues Material (heißt: Kanonen und Granaten), um diese Art von Krieg überhaupt führen zu können. Der einzelne Soldat spielte dabei eine untergeordnete Rolle. Er war eine Nummer oder im schlimmsten Falle eine weitere Zeile auf der Liste der Gefallenen.

Der Grundstein der Kanonenbahn wurde bereits während des Deutsch-französischen Krieges 1870/71 gelegt. Erfolgreiche Kriegsführung bedingte von jeher auch ein schnelles Verlegen der eigenen Truppen. Zeit war und ist ein strategischer Vorteil. Der 70er-Krieg hat dieses der preußischen Generalität nochmals deutlich vor Augen geführt. Und: Sie machten auch die Erfahrung, dass Privatbahnen das nicht leisten konnten. Also kam der Wunsch auf, eine direkte strategische Aufmarschbahn gegenüber dem als „Erzfeind“ empfundenen französischen Staat zu haben. Die ersten Gedanken über den Bau einer den Osten mit dem Westen des Kaiserreichs verbindenden Eisenbahn tauchten daher unmittelbar nach Beendigung des 70er-Krieges auf. Es gab auch schon einzelne Streckenabschnitte, die man – richtig ausgebaut und verlängert – als Grundstock nutzen konnte.

Die Festungsstadt Metz hatte für die preußische Generalität mit Blick auf eine eventuelle (erneute) Auseinandersetzung mit Frankreich ebenfalls eine hohe Bedeutung. Beide Projekte gingen Hand-in-Hand – nämlich der Ausbau einer schnellen Bahnverbindung, um zügige Truppenbewegungen organisieren zu können und die gleichzeitige militärische Sicherung von Metz, weil das der relevante Verkehrsknotenpunkt kurz vor der neuen deutsch-französischen Grenze in Lothringen war.

Von hier aus war Verdun nur ein Katzensprung entfernt und Paris nur knapp 350 Kilometer. In gewisser Weise war sie ein vorgeschobener Posten des deutschen Militärs auf ehemals französischem Gebiet. Mit beiden Projekten wurde daher kurz nach Ende des 70er-Krieges begonnen. Die ersten Vermessungsarbeiten für die neue Bahnstrecke wurden bereits 1872 durchgeführt. Die Bauarbeiten starteten nach intensiver Planung wenige Jahre später. In Metz wiederum wurde direkt nach Ende des Krieges damit begonnen, die Festungen rund um die Stadt massiv auszubauen.

Natürlich war die Kanonenbahn nicht die einzige Versorgungsstrecke in Richtung der Front. Doch sie war die Längste und Bekannteste von ihnen. Sie reiche von Berlin über Güsten, Wetzlar, Koblenz, Trier bis Metz und hatte eine Länge von mehr als achthundert Kilometern. Errichtet wurde sie zwischen 1879 und 1882. Ab 1906 erreichte die Kanonenbahn am Ziel den Bahnhof von Metz – ein wahres Juwel wilhelminischer Eisenbahnarchitektur. Dieser riesige und von den Deutschen während der Annexion von Elsass-Lothringen errichtete Eisenbahnknotenpunkt war in der Lage, bis zu 750.000 Soldaten plus entsprechendes Material innerhalb eines Tages „abzuwickeln“.

Die Bahnlinie Berlin-Metz galt also als strategisch wichtige Eisenbahnverbindung. Sie wurde etliche Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs geplant. Die hohe Bedeutung, die das Militär der Strecke zuordnete, kann man an der Art erkennen wie sie realisiert wurde. Man nahm dabei keine Rücksicht auf ein wirtschaftliches Interesse der Kommunen entlang der Strecken. Auch der zivile Bahnverkehr musste sich unterordnen. Städte, die man nicht als Haltepunkte vorsah, wurden möglichst umfahren - auch wenn ein Anschluss für diese Städte an das Bahnnetz im Kaiserreich durchaus eine Perspektive geboten hätte.


Kanonenbahn


Streckenführung der Kanonenbahn Berlin-Metz:

Berlin | Bad Belzig | Barby | Güsten | Sangerhausen | Nordhausen | Leinefelde | Treysa | Marburg | Wetzlar | Koblenz | Cochem | Trier | Perl | Thionville | Metz


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Die historische Bedeutung der Kanonenbahn Berlin - Metz

Spätestens mit dem Schlieffen-Plan aus dem Jahr 1905 wurde den Militärs klar, wie wichtig gute Bahnverbindungen in Deutschland sein werden. Es galt im Fall des Fallen einen Zweifrontenkrieg mit Frankreich und Russland zu vermeiden. Also sah der Schlieffen-Plan einen mit Schnelligkeit und Härte geführten Bewegungskrieg gegen Frankreich im Westen vor - selbstredend mit einem schnellen Niederwerfen des Feindes. Dann sollte sich die Armee gegen das russische Heer stellen (und natürlich auch besiegen). Die Eisenbahn sollte dabei den zügigen Material- und Truppentransport gewährleisten. Also waren entsprechende Bahnverbindungen, die quer durch Deutschland führten und mit denen man die westlichen und östlichen Kriegsschauplätze kurzfristig versorgen konnte, zwingend notwendig. Die Eisenbahn spielte bei den strategischen Überlegungen der deutschen Generalität also eine zentrale Rolle.

Wie bereits erwähnt begann man mit dem Ausbau der Kanonenbahn Berlin-Metz bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Wenige Jahre nachdem der Schlieffen-Plan allerdings als die Militärdoktrin schlechthin erkoren wurde, setzte abermals eine beispiellose Bautätigkeit in Deutschland ein. Viele Strecken wurden nun zweigleisig ausgebaut. Bahnhöfe wurden auf "Kriegslänge" gebracht - mit Ausladerampen und weiteren Bahnsteigen. Auf diese Weise konnten sich auch von längeren Militärzügen komplett (also schnell) genutzt werden. Außerdem entstanden Haltepunkte an Orten, an denen es keine nennenswerte Industrie oder/und nur wenige Einwohner gab. Es wurden sogar bis unmittelbar an die Grenze sogenannte Blindgleise verlegt. Sie endeten für einen unwissenden Betrachter einfach im Nirgendwo.

Ein Eingeweihter wusste allerdings, dass diese Strecken nach einem Einsatzbefehl dringend benötigt werden und man sie in kurzer Zeit in das Feindesland hinein verlängern konnte. Das entsprechende Material dafür wurde unter großer Geheimhaltung in der Nähe ebenfalls gelagert. Last but not least wurde entlang der gesamten Strecke das Signalwesen verbessert, was sich ebenfalls positiv auf die Betriebsgeschwindigkeit auswirkte. Die enormen Anstrengungen betrafen aber nicht nur den Bau und die Optimierung der Eisenbahnlinien. Es wurden auch Einheiten an (aus Sicht des Schlieffen-Plans) günstigere Orte verlegt, weil dadurch im Fall eines Krieges das Eisenbahnnetz entlastet werden kann.

Ein Jahr vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs war das Bauprogramm so gut wie abgeschlossen. Aus der Sicht der Militärstrategen waren sie gut für einen Krieg gerüstet - jedenfalls was die Infrastruktur betraf.

In dem Zusammenhang gibt es übrigens Historiker, die den Stellungskrieg ab 1915 in Zusammenhang mit just dieser Infrastruktur bringen. Die These besagt, dass der Weltkrieg sich innerhalb kurzer Zeit in einen Stellungskrieg verhärtete, weil sich die kriegsführenden Mächte nicht zu weit von den Bahnhöfen als sichere Nachschubquelle entfernen wollten (oder konnten). Damals gab es nur wenige und dabei auch noch wenig effektive Lastkraftwagen und nur in Ausnahmefällen waren die Straßen brauchbar, um den logistischen Herausforderungen einer Materialschlacht überhaupt standhalten zu können. Das zeigen die enormen Anstrengungen von General Phillipe Petait, die einzige Verbindungsstraße nach Verdun - die Voie Sacrée - in Schuss zu halten.

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Quelle: Historische Feldpostkarte aus dem Ersten Weltkrieg | Sodaten am Bahnhof von Montmedy

Während des Ersten Weltkriegs hatte die Eisenbahn für die Versorgung der Truppen mit Material und Nachschub eine zentrale Bedeutung. Derjenige, der den Nachschub über eine gut ausgebaute Bahnlinie zur Front bringen konnte, hatte einen strategischen Vorteil.

Quelle des Bildes: Historische Postkarte - deutsche Soldaten am Bahnhof von Montmedy.

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