Festung Toruń (Polen)

Thorn war einst eine bedeutende Stadt in Westpreußen - nahe der deutsch-russischen Grenze. Während des deutschen Kaiserreichs wurde die Stadt zu einer Gürtelfestung ausgebaut.

Heute: Toruń - Polen

Festungsstadt Thorn (Toruń)

Karte: Festungen in Ost-Europa - anno 1900
Deutschland - Österreich-Ungarn - Russland

Toruń (ehemals Thorn) liegt in Polen und war einst eine der großen Festungsstädte des deutschen Kaiserreichs in Westpreußen. Die an der Weichsel liegende Stadt verfügte gegen Ende des 19. Jahrhunderts über ein mächtiges Befestigungssystem und sicherte die damalige Ostgrenze des Kaiserreichs zu Russland - diese war lediglich 10 Kilometer entfernt. Thorn galt als wichtiger Verkehrsknotenpunkt und im Fall eines Krieges mit dem östlichen Nachbarn ein zentral gelegener Angriffspunkt.

Der erste militärische Ausbau der Stadt erfolgte bereits im 13. Jahrhundert mittels einer wuchtigen Steinmauer, die die Stadt umgab. Im 16. Jahrhundert errichtete man zum besseren Schutz dieser eine bastionäre Festung. Diese Befestigungsanlagen schützten die Stadt bis ins beginnende 19. Jahrhundert hinein - mussten aber immer wieder ausgebessert oder erneuert werden. Thorn durchlief in diesen Jahrhunderten eine bewegte Geschichte. Mal gehörte es zu Schweden, zuletzt während der napoleonischen Kriege stand sie unter französischer Regentschaft. Erst mit Verlauf des Wiener Kongresses von 1815 wurde sie endgültig dem Königreich Preußen zugeschlagen. Diesen war die enorme militärische Bedeutung der Stadt klar, so dass man direkt mit der Instandhaltung und Erweiterung der vorhandenen Anlagen begann.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts machte die Artillerie große Entwicklungssprünge. Die modernen Geschütze (es waren Hinterlader mit gezogenem Lauf) hatten eine deutlich höhere Reichweite und Treffgenauigkeit als herkömmliche Vorderlader. Siehe: Entwicklung der Artillerie. Die bastionären Festungen zum Schutz von Thorn galten als veraltet und hätten einem Angriff russischer Kräfte, die mit solchen Geschützen ausgestattet waren, nicht lange widerstehen können. Gleichwohl blieb die enorme strategische Bedeutung dieses wichtigen Verkehrskontenpunkt, der inzwischen auch an das für das Militär so wichtige Eisenbahnnetz angeschlossen war.

Ausbau von Thorn zu einer modernen Gürtelfestung

Erste Pläne zum Ausbau der Stadt zu einer modernen Gürtelfestung wurden direkt nach der Gründung des deutschen Kaiserreichs (1871, Versaille) bzw. nach Ende des Deutsch-französischen Krieges (1872) entwickelt. In den folgenden 37 Jahren errichtete man rund in und vor allem rund um die Stadt rund 200 Verteidigungsanlagen – darunter sieben Hauptfestungen, sechs Zwischenforts, sechs Artillerie-Batterien und etliche Infanteriestützpunkte. Außerdem verteilte man im Gelände weitere Munitionsbunker, von denen aus die Artilleriestellungen bzw. Batterien versorgt wurden. Den Ausbau Thorns zu einer Gürtelfestung des deutschen Kaiserreichs kann man grob in drei Phasen unterteilen:

(1) Bauphase zwischen 1873 bis 1884

Zwischen 1873 und 1884 entstanden alles in allem acht neue Festungen. Es handelte sich um moderne Polygonal-Befestigungen, die man als Ring rund um die Stand positionierte. Zwecks Reduzierung des Planungsaufwands und Baukosten setzte man dabei auf sogenannte Biehler'sche Standardforts.

Biehlersche Einheitsfort -
Standardfestung der Preußen gegen Ende des 19. Jahrhunderts

Das sind Einheitsforts (wie man sie beispielsweise zur gleichen Zeit auch rund um Köln errichtete), die aus Zigelsteinen errichtet wurden. Jedes Fort bot Platz für 600 bis 800 Soldaten und war mit Artilleriegeschützen für den Fernkampf ausgestattet. Sie wurden (und das entsprach dem Standard der Zeit) unter freiem Himmel in offenen Geschützstellungen platziert.

Während dieser Bauphase entstanden die Festungen mit den Nummern II, IV, V, VII, IX, XI, XII, XV. Die Nummerierung der Festungen wurde später vom polnischen Militär vorgenommen. Ich nutze sie , weil ich sie auch in der Karte verwende.

Mit dem Aufkommen moderner Spreng- und Brisanzgranaten in den 1880er-Jahren galten diese Festungen allerdings als veraltet (siehe: Brisanzgranatenkrise).

(2) Bauphase zwischen 1888 - 1893

Wie bereits gesagt: Die in der ersten Bauphase errichteten Festungen galten angesichts der Bedrohung durch moderne Brisanzgranaten als veraltet. Natürlich konnte man sie nicht abreißen. Also begann man sie zu modernisieren, was im Wesentlichen Bedeutete, dass die Werke mit einer zusätzlichen Betondecke und Erdschichten bedeckt wurden. Beides sollte die Wucht eines Treffers mindern.

Gleichzeitig begann man mit dem Bau sieben weiterer und erheblich modernerer Festungen. Sie wurden zwischen den bestehenden Werken positioniert. Eigentlich handelte es sich auch bei diesen um traditionelle Polygonal-Befestigungen - sie wurden nur erheblich solider gebaut und verfügten über eine bessere Ausrüstung. Es entstanden die Werke I, III, VI, VIII, XII und XIV.

Das Fort I war das zuletzt errichtete Werk. Es trug den Namen "Feste König Wilhelm I." und gilt als Prototyp kommender Panzerfestungen. Dazu gleich mehr.

Damit allerdings nicht genug: Zwischen den (neuen und alten) Werken errichtete man rund 80 Bunker und weitere Artilleriestellungen. Sie alle sollten im Fall eines Angriffs im Verbund wirken (siehe: Verteidigung einer Panzerfestung).

Quelle: Wilhelm Reinhardt 1917 - 2006

Quelle: Wilhelm Reinhardt 1917 - 2006 | Ein herzliches Dankeschön an Rudolf Reinhardt; er stellte mir dieses Bild des Forts Heinrich von Plauen bei Thorn aus dem Nachlass seines Vaters zur Verfügung.
Eine große Bereicherung für meine Homepage.

(3) Bauphase 1905 - 1914

Die letzte Phase zum Ausbau der Festungsstadt Thorn ist recht unspektakulär. Letztlich wurden alle bisher errichteten Werke in dieser Zeit modernisiert. Teilweise stattete man die Werke mit gepanzerten Beobachtern aus (Beispiele: Fort Yorck oder Fort Friedrich der Grosse). Vereinzeln kamen weitere Befestigungsanlagen hinzu, so dass die Stadt zu Beginn des Ersten Weltkriegs von gut 200 Festungen, Bunker und Artillerie- bzw. Infanteriestellungen geschützt wurde.

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Feste König Wilhelm I.: Prototyp künftiger Panzerfestungen

21 cm Turmkanone mit Panzerturm - Modell Gruson
Quelle: Affûts cuirassés tournants, Maximilian Schumann, 1885

Das Feste König Wilhelm I. (heute Fort I Jan III Sobieski) ist die einzige Panzerfestung, die das deutsche Kaiserreich außerhalb der von Frankreich annektierten Gebiete Elsass-Lothringen errichtete. Es ist sogar der Prototyp vieler dort gegen Ende des 19. Jahrhunderts errichteten Panzerfestungen wie die Feste Kaiser Wilhelm II. bei Mutig (Straßburg). Am Bau der Festung beteiligt war Hans Alexis von Biehler, der Jahre zuvor das sogenannte Biehlersche Standardfort entwickelte. Das war eine Blaupause zum Bau neuer Festungen – gut siebzig Festungen wurden diesem Standard folgend errichtet.

Die Festung Wilhelm I. war also ein Prototyp künftiger Panzerfestungen. Sie weist Merkmale herkömmlicher Festungen auf als auch typische Elemente künftiger Panzerfortifikationen (häufig auch „Feste“ genannt, um sie von klassischen Forts abzugrenzen).

Das Fort wurde 1888 bis 1892 im Rahmen des militärischen Ausbaus der Stadt Thron errichtet. Es ist zugleich das jüngste aller Fort, die man als Gürtel um die Stadt herum positionierte. Zentrales Element der Festung ist ein zentrales Artilleriewerk (Fort I) mit seinen vier Panzertürmen (4x 21-cm-Haubitzen, Reichweite: bis zu acht Kilometern).

Neben der Hauptbefestigung um fasst die Anlage aber auch noch in der Nähe befindliche Schutzräume der Infanterie, zwei Flügel-Batterien (4x 90-mm-Kanonen und 4x 150-mm-Kanonen sicherten die Flanken) und weitere Bauten, die von der Artillerie und Infanterie genutzt wurden. Darüber hinaus gab es weitere gepanzerte Beobachter. All dies war von einem trockenen Graben umgeben.

In gewisser Weise wurde mit dieser „aufgelösten Bauweise“ ein zentrales Element künftiger Panzerfestungen vorweggenommen – nämlich das Verteilen der einzelnen Werke einer Festung im Gelänge, das Ausnutzen der geografischen Möglichkeiten vor Ort, um letztlich die einzelnen Elemente der Festung optimal vor feindlichen Feuer zu schützen.

Die Besatzung der gesamten Anlage umfasste 200 Infanteristen und gut 150 Artilleristen – plus 13 Offiziere. Ihre bzw. die Hauptaufgabe der Festung bestand darin, die Umgebung der Mündung des Drwęca gut 10 Kilometer südlich – also die Ostgrenze zu Russland – als auch die strategisch wichtigen Straßen in der näheren Umgebung zu sichern.

Deutsche Festungen rund um Thorn - errichtet im 19. Jahrhundert

Deutsche Bezeichnung

Polnische Bezeichnung

Funktion

Errichtet

KMZ

Feste König Wilhlm I.

I - Fort Jan III Sobieski

Panzerfestung

1888-1893

Fort Bülow

II - Fort Stefan Czarniecki

Hauptwerk

1878-1882

 

Fort L'Estocq

III - Fort Stanislaw Jablonowski

Zwischenwerk

1878 - 1882

 

Fort York

IV - Fort Stanisław Żółkiewski

Hauptwerk

1878 - 1884

 

Fort Scharnhorst

V - Fort Karol Chodkiewicz

Hauptwerk

1878 - 1884

 

Fort Dohn

VI - Fort Jerema Wiśniowiecki

Zwischenwerk

1889 - 1893

 

Fort Friedrich der Grosse

VII - FortTadeusz Kościuszko

Hauptwerk

1879 - 1883

 

Fort Herzog Albrecht

VIII - Kazimierz Wielki

Hauptwerk

1889 - 1893

 

Fort Heinrich von Plauen

IX - Fort Boleslaw Chrobry

Zwischenwerk

1882 - 1885

 

Batterie Grüntalmühle

X - Bateria Nadbrzeżna

Artilleriestellung

1889 - 1892

 

Fort Großer Kurfürst

XI - Stefan Batory

Hauptwerk

1877 - 1881

 

Fort Ulrich von Jungingen

XII - Fort Władysław Jagiełło

Zwsichenwerk

1889 - 1893

 

Fort Winrich von Kniprode

XIII - Fort Karol Kniaziewicz

Hauptwerk

1880 - 188

 

Fort Hermann Balk

XIV - Fort Józef Bem

Zwischenwerk

1889 - 1893

 

Fort Hermann von Salza

XV - Fort enryk Dąbrowski

Hauptwerk

1881 - 1885

 

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