Festungen rund um Antwerpen
In den 1850er-Jahren: Belgien fühlt sich bedroht und reformiert seine Landesverteiligung
Louis-Napoléon Bonaparte war eigentlich französischer Staatspräsident. Durch einen Staatsstreich im Jahr 1851 errichtete er eine Diktatur und wurde zum Kaiser von Frankreich gekrönt. Das weckte in Europa und insbesondere im kleinen Belgien schlechte Erinnerungen – waren die napoleonischen Kriege gerade einmal vor 50 Jahren beendet worden.
Das junge Belgien fühlte sich von Frankreich bedroht und formuliert seine Strategie zur Landesverteidigung neu. Sie basierte bisher auf der Wellington-Barriere. Man erkannte aber, dass das Militär zu klein war, um sich so breit aufgestellt gegen Frankreich erwehren zu können.
Obwohl Belgien seit seiner Unabhängigkeit zu einer Wirtschaftsmacht aufgestiegen war, verfügte es nur über eine kleine, anfangs 20.000 und später dann bis zu 350.000 Mann umfassende Armee. Viel für Belgien, zu wenig im Vergleich zu den Nachbarn.
Man entschied sich also, die Landesverteidigung künftig zu zentralisieren. Dazu wählte man Antwerpen mit seinem wichtigen Seehafen aus, den im Fall eines Krieges Großbritannien nutzen konnte, um als Verbündeter zur Hilfe zu eilen. Antwerpen sollte zu einer Gürtelfestung ausgebaut werden – nach den Plänen des Festungsbauingenieurs Brialmont. Er plante wenige Kilometer vor den Toren der Stadt einen (ersten) Festungsring, der zwischen 1859 – 1866 errichtet wurde.
Ende der 1850er-Jahre beauftragte die belgische Regierung Henri Alexis Brialmont mit dem Ausbau von Antwerpen zu einer modernen Gürtelfestung. Dadurch wurde die Stadt zum militärischen Zentrum des Landes. Zugleich markiert dieses Bauprojekt einen Wandel im belgischen Festungsbau: Brialmont Pläne sahen insgesamt acht Fort vor, die gut zwei Kilometer vor den Toren der Stadt errichtet werden sollten. Seine Überlegungen wurden dabei stark vom Aufkommen neuartiger Geschütze beeinflusst. Zwischenzeitig wurden nämlich sogenannte Hinterlader mit gezogenem Lauf entwickelt, die über eine deutlich höhere Reichweite und Treffgenauigkeit verfügten als herkömmliche Vorderlader.
Und Brialmont setzte nicht mehr auf bisher bevorzugte Bastionärbefestigungen, sondern auf Ideen des 1800 verstorbenen Marc-René Montalembert, der sich mit mit den Vorteilen von Polygonal-Befestigungen gegenüber dem traditionellen Festungsbau befasste. Seine Konzepte wurden bereits von den Deutschen bspw. bei Ausbau von Köln zu einer Gürtelfestung aufgegriffen. Brialmont befasste sich mit den Montalembert'schen Ideen, reiste nach Deutschland, um sich dort mit deren Festungsbauprojekten zu befassen und entwickelte schließlich sein Konzept eines neuartigen Forts, welches er rund um Antwerpen errichten ließ - dem sogenannten Brialmont-Fort. Seine Besonderheiten waren:
(1) Man errichtete sie aus schweren Ziegel- oder Bruchsteinen. Das war seinerzeit das für den Bau neuer Befestigungen bevorzugte Baumaterial. Die einzelnen Teile der des Forts waren gewölbeartig angelegt und wurden von einer dicken Erdschicht bedeckt. Das bot (seinerzeit) ausreichenden Schutz vor feindlicher Artillerie.
Etliche Jahre später trug man die Erde wieder ab und überkofferte die Gewölbe mit Beton, um sie abermals mit einer (viel dickeren) Erdschicht zu bedecken. Man verpackte das als Modernisierung, die nach dem Aufkommen Sprenggranaten notwendig wurde. Tatsächlich war das eine Behelfsmaßnahme, die die Widerstandsfähigkeit des Forts erhöhte, sie aber nicht wirklich schützte.
(2) Alle Brialmont-Forts waren von einem nassen Graben umgeben - zum Schutz vor angreifender Infanterie. Ebenfalls ein Merkmal, welches Brialmont bei seinen späteren Panzerfestung gänzlich fallen ließ. Wasser spielte bei der Verteidigung Antwerpens eh eine große Rolle. Es war vorgesehen, im Fall eines Angriffs weite Flächen zu fluten, um ein Vorankommen feindlicher Truppen zu unterbinden.
(3) Die Festungsartillerie positionierte man oberhalb der Gewölbe unter freiem Himmel. Brialmont-Forts waren im Kern Artillerie-Festungen und auf die "Fernverteidigung" ausgerichtet. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass die Geschütze seiner Zeit zwar eine nennenswerte Reichweite hatten, aber bald von noch modernen Geschützen mit noch größerer Reichweite abgelöst wurden. Dazu später ebenfalls mehr. Wichtig ist, das die Festungsartillerie - wie schon gesagt - unter freiem Himmel platziert war. Mit dem Aufkommen der Sprenggranaten war das unhaltbar, so dass man die Forts mit gepanzerten Artillerietürmen nachrüstete.