Wissenswertes über Polygonal-Befestigungen
Beispiele früher Polygonalbefestigungen
Quelle: Traité de Fortification Polygonale par A. Brialmont - Atlas - Bruxelles, 1869
Festungsbau im
Verlauf des 19. Jahrhunderts:
Polygonal-Befestigungen setzen
sich im 19. Jahrhundert zum neuen Standard durch
Eine Festung ist ein in Friedenszeiten
ausgebauter Ort, der in Kriegszeiten
gegen einem der Zahl nach überlegenen und
mit allen Angriffsmitteln ausgerüsteten Gegner
nachhaltig verteidigt werden kann.
Meyers Konversations-Lexikon
Jahrgang 1888
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts erlebte der Festungsbau maßgebliche Umbrüche. Es begann mit den Schriften des französischen Ingenieurs für Waffentechnik und Festungsbau Marquis de Montalembert (1714-1800), der eine Abkehr vom Bastionärsystem propagierte. Seine Idee war (unter anderem) der Einsatz modernerer Polygonal-Befestigungen. Dabei sollten einzelne Forts mit einem gewissen Abstand vor dem zu schützenden Ort platziert werden. Jedes Fort wäre autonom und deckt seinen linken und rechten Nachbarn. Die von ihm beschriebenen Forts wiederum brechen mit den meisten bis dahin selbstverständlichen Prinzipien des Festungsbaus. Sie verfügen weder über Bastionen und Kurtinen. Sie haben eine gerade Frontlinie, sind deutlich flacher als bisherige Festungen (und entziehen sich damit dem Blicken des Feindes - sind also auch schwieriger von deren Artillerie zu bekämpfen) und sind umgeben von einem tiefen Graben, in dem weitere Verteidigungsstellungen für den Nahkampf vorgesehen sind.
Während in Frankreich die Ideen Montalemberts abgelehnt wurden, griff man sie in Belgien und Deutschland auf. Das war 1815: Der Wiener Kongress ordnete nach Ende der Napoleonischen Kriege die Landkarte von Europa neu, um Vorkehrungen zu treffen, falls von Frankreich abermals die Nachbarn bedrohende Aggressionen ausgehen. Überall in Europa wurden nahe der französischen Grenzen neue Festungen errichtet. Preußen sicherte beispielsweise die Städte Köln und Koblenz und der Deutsche Bund ließ neue Festungen bei Ulm, Mainz oder Rastatt errichten. Dabei setzen sie auf die Montalembert'schen Ideen. Die Festung Ehrenbreitstein bei Koblenz gilt beispielsweise als eine der ersten Polygonal-Befestigungen auf deutschem Boden.
Vergleichbares geschah in Belgien - wenn auch ein paar Jahre später: Der Festungsbaumeister Henri Alexis Brialmont wandelte des Konzept ab, entwickelte den Grundriss einer dreieckigen Festung, die er als Panzereinheitswerk bezeichnete.
Beispiele früher Polygonalbefestigungen
Quelle: Traité de Fortification Polygonale par A. Brialmont - Atlas - Bruxelles, 1869
Entwicklung des Festungsbaus
im späten 19. und frühen
20. Jahrhundert
Wie bereits erwähnt: Die Ursprünge des von Preußen bzw. dem Deutschen Bund seit Anfang des 19. Jahrhunderts bevorzugten Polygonal-Systems beim Bau neuer Festungen gehen u.a. zurück auf die Überlegungen von Marc-René Montalembert, der bereits 1800 verstarb. Er beschrieb die Idee, bei Bau neuer Festungen möglichst auf einspringende Winkel zu verzichten, so dass eine Befestigungsanlage in Form eines Vielecks (eines Polygons) entsteht. Seine Konzepte avancierten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Preußen bzw. dem Deutschen Bund zum Standard beim Bau neuer Festungen. Das erklärt auch den Umstand, warum man in dem Zusammenhang gelegentlich von der neupreußischen oder neudeutschen Befestigungsmanier spricht. Doch selbst im jungen Kaiserreich unter Kaiser Wilhelm I. setzte man auch nach 1871 auf Polygonal-Befestigungen. Da in dieser Zeit der Bedarf an neuen Festungen zum Schutz strategisch wichtiger Städte groß war, begann Hans Alexis Biehler (1818-1886) die Baupläne zu standardisieren, um Baukosten zu sparen. Die von ihm entwickelte Festung wird heute als Biehlersches Einheitsfort (auch Schemafort) bezeichnet.
Dieses möchte ich am Beispiel eines Biehler-Fort erklären, welches Henri Alexis von Biehler in den 1870er-Jahren entwickelte. Rund siebzig solcher Festungen ließ das Deutsche Kaiserreich unter Wilhelm I. in der Folge errichten. Die neuen Festungsgürtel von Köln, Straßburg, Posen, Thorn, Königsberg und Ingolstadt bestehen komplett aus diesen Einheitsforts und die Festungsgürtel von Metz, Küstrin, Spandau, Ulm, Main und Magdeburg wurden durch solche Forts verstärkt. In Deutschland gibt es heute nur noch die beiden Bieler-Forts „Prinz Karl“ bei Ingolstadt und „Hahnenberg“ in Spandau.
Zuerst einmal: Ein Biehler-Fort steht nicht allein, sondern ist Teil eines Festungssystems zum Schutz eines strategisch wichtigen Ortes - siehe Gürtelfestungen). Die einzelnen Forts sind dabei so platziert, dass sie einerseits zueinander einen gewissen Abstand nicht über- oder unterschreiben und andererseits einen definierten Abstand zur Stadt haben. Beides war abhängig von der Reichweite der Artillerie in den 1870er-Jahren. Hauptaufgabe der einzelnen Forts (die zusammen einen Schutzwall um einen Ort bilden), diesen so lang wie möglich vor der Beschießung durch angreifende Artillerie zu bewahren. Die Festungsgürtel rund um Köln, Thorn oder Königsberg verdeutlichen dieses Prinzip sehr anschaulich.
Unabhängig davon: Die von Alexis von Biehler entwickelten Standardforts waren in ihrem Wesen Artillerieforts. Sie hatten die Form einer Lünette mit je zwei Front- und zwei Flankenmauern. Ihre Außenmaße betrugen rund 320 Meter x 190 Meter. Im Vergleich zu neupreußischen Forts waren die Biehler-Forts tiefer in das umgebene Gelände eingebettet. Das hatte den Vorteil, dass sich das für den Feind sichtbare Profil verringerte - im Artilleriekampf ein große Vorteil.
Anders als bei den späteren Panzerfestungen stand die Festungsartillerie hier allerdings unter freiem Himmel. Sie wurden also nicht durch Panzerkuppeln geschützt, obwohl es in den 1870er-Jahre erste Vorläufer von ihnen gab. Umgeben wurde das Fort von einem Graben, der von Grabenstreichen gesichert wurde. Hier kamen im Fall des Eindringens gegnerischer Einheiten Nahwaffen wie Maschinengewehre oder Kanonen mit kleinem Kaliber zum Einsatz. Es galt, gegnerische Grabenübergange energisch zu bekämpfen, was durch gedecktes Feuer aus den Grabenwehren zu geschehen hatte, die der Fein nur unzulänglich mit seinen Feldbatterien bekämpfen konnte.
Ein typisch ausgestattetes Biehler-Fort verfügte meist über fünfzehn Geschütze unterschiedlichem Kaliber (von 8 bis 15 cm).
Es konnte bis zu 900 Soldaten aufnehmen, wobei sich die Unterkünfte der Mannschaften auf der Kehl-, also der Rückseite des Fort, befanden - links und rechts vom eigentlichen Zugang zur Festung, der durch eine Zugbrücke und Schießscharten gesichert wurde. Die Mauern des Fort waren zwischen einem und drei Metern dick - zum Bau verwendete man Ziegelsteine. Den Abschluss bildete eine gut einen Meter dicke Betonschicht und zusätzliche Erdaufschüttungen. Beides zusammen schützte die darunter liegenden Kasematten.
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Wissenswertes über die Geschichte des Festungsbaus
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